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Suchterkrankungen

20.10.19 Zwar waren die LandFrauen mit der Teilnahme am Bauernmarkt und dem Apfelfest auf „Willeckes Lust" bereits aktiv tätig, hatten aber am 17.10.2019 mit dem Thema Suchterkrankungen erst ihre erste Vortragveranstaltung nach der Sommerpause.

Als Referenten hatten die LandFrauen den Leiter der Einrichtung „Haus Hagenberg" in Hornburg, Herrn Christian Meininghaus, eingeladen.
Herr Meininghaus brachte als Gast noch einen Bewohner von Haus Hagenberg mit, den wir hier aus Respekt vor ihm und seinem Lebenslauf Herrn B. nennen möchten.
Herr Meininghaus berichtete kurz über seinen Werdegang und erzählte, dass auch er aus einer Suchtfamilie komme.
Bei dem Wohnheim Haus Hagenberg handelt es sich um ein betreutes Wohnen für alle Arten von Suchtkranken. Es sind nicht nur alkoholkranke Bewohner dort untergebracht, sondern z.B. auch Drogensüchtige oder Spielsüchtige. Haus Hagenberg ist eine Einrichtung der Gemeinnützigen Gesellschaft für Paritätische Sozialarbeit Braunschweig. Die Kosten für die Unterbringung trägt das Sozialamt. Den Bewohnern wird ein geringer Bargeldsatz für persönliche Ausgaben zugestanden.
Die Menschen dort mit teilweise sehr bewegten Lebensläufen werden auf dem Weg zu einem gesunden und zufriedenen Leben unterstützt. Die Wohndauer ist individuell, je nachdem wie schnell der Bewohner sein Leben wieder „in den Griff" bekommt und sich zutraut, wieder ein eigenes Leben zu führen.
Es werden regelmäßige Kontrollen in Form von Speichelproben, Urintests usw. durchgeführt und auch Kündigungen ausgesprochen, wenn jemand immer wieder rückfällig wird.
In Deutschland ist es so geregelt, dass niemand Hilfe annehmen muss! Auch wenn im eigenen Verwandten- oder Bekanntenkreis jemand Gefahr läuft, sich „tot zu trinken", so ist dies „sein gutes Recht". Niemand kann darauf Einfluss nehmen, niemand kann ihn zwangsweise in eine Klinik bringen.
Bei Aufnahme im Haus Hagenberg müssen die Bewohner dafür unterschreiben, dass im Fall eines Rückfalls Schutzmaßnahmen eingeleitet werden, so dass z.B. ein Alkoholkranker Bewohner zur Entgiftung in ein Krankenhaus eingewiesen werden kann.
Privat ist das nicht möglich.

Wie entsteht eine Sucht? Oft sind einschneidende Ereignisse im Leben der Einstieg in eine Sucht.
Eine Sucht, die die ganze Familie in Mitleidenschaft zieht. Eine Sucht, die von den Familienmitgliedern verheimlicht wird. Sie versuchen, den Betroffenen zu schützen, in dem sie ihn z.B. nach einem Absturz beim Arbeitgeber mit einer Ausrede entschuldigen. Kinder übernehmen oft viel zu viel Verantwortung, weil z.B. die Mutter immer wieder ausfällt, wenn sie nicht mehr in der Lage ist, ihren Haushalt zu versorgen. Und diese Kinder sind später selbst oft suchtgefährdet, weil sie mit dieser hohen Verantwortung völlig überfordert sind.
Der Gast, den Herr Meininghaus mitgebracht hat, Herr B., hat sich bereit erklärt, in kurzen Worten seinen Lebenslauf darzulegen: Geboren in der ehemaligen DDR, war Herr B. schon immer ein Mensch, der ein starkes Gerechtigkeitsgefühl hat. In einem Unrechtsstaat wie der DDR konnte man mit der Wahrheit und offenen Äußerungen schnell anecken. Aus so einer Äußerung entstand ein mehrjähriger Haftaufenthalt in Bautzen mit all den Widrigkeiten, für die diese Gefängnisse bekannt waren. So wurde dort auch noch die Todesstrafe verübt und die Häftlinge wurden eingesetzt, das Blut in den Todeszellen aufzuwischen. Nach seiner Freilassung war für Herrn B. klar, dass er nicht in der DDR bleiben konnte und wollte. Er wurde ausgewiesen und stand mit Nichts plötzlich im Westen. Der Alkohol war anfangs ein Helfer, das Geschehene und die Perspektivlosigkeit auszublenden. Die Probleme stauten sich immer mehr auf. Mal war er wohnungslos, mal arbeitslos – die Verwandten waren im Osten, neue und vor allem echte Freunde, fanden sich nicht. Zum Schluß waren es drei Flaschen Schnaps, die ihn täglich „begleiteten".
Trotzdem hat Herr B. es geschafft, sich aus diesem Sumpf zu befreien und wurde 10 Jahre abstinent.
In dieser Zeit arbeitete Herr B. in vielen sozialen Projekten, war in der Bahnhofsmission tätig, versuchte anderen Menschen zu helfen. Nur sich selbst hat er hierbei wieder vergessen – wie schon so oft im Leben.
Dann starb seine Mutter. Das Gehirn eines Suchtkranken merkt sich, dass ein höherer Alkoholkonsum Probleme deckelt; dies ist inzwischen wissenschaftlich nachwiesen. Der Drang nach der Wirkung des Suchtmittels wurde übermächtig. Herr B. wurde rückfällig. Aber auch jetzt versuchte er, diesem Leben zu entfliehen und kam schlussendlich nach Haus Hagenberg. Hier lebt er seit 2013, ist seitdem abstinent und trägt sich mit dem Gedanken, wieder ein selbständiges Leben zu führen.

Zum Abschluß wies Herr Meinighaus darauf hin, dass Angehörige selbst Hilfe suchen und sich an eine Suchtberatungsstelle wenden sollten.
Und vor allem den Suchtkranken in seiner Sucht nicht weiter zu unterstützen.
In Liebe fallen lassen – so habe ich als Autorin dieses Artikels es einmal gelesen. Dasein, wenn der Suchtkranke echte Hilfe sucht, aber nicht länger die Verantwortung für sein Tun übernehmen.

Dieser rege und lebendige Vortrag beeindruckte die LandFrauen sehr und wir bedanken uns noch einmal ausdrücklich für die Offenheit, mit der Herr B. sein Leben schilderte.

Als Dank wird eine Spende an das Haus Hagenberg in Höhe von 250,00 € übergeben.

Spendenübergabe LFV Hornburg

Vorstand der Hornburger LandFrauen bei der Spendenübergabe